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Wennemar Schweer
 Hoffnung über den Tod hinaus
Nahtoderfahrungen, Nachtodkommunikationen und christlicher Glaube
 Lit-VerlagBd. 16, 2012, 152 S., 19.90 EUR, br., ISBN 978-3-643-11666-6
 ReiheTheologische Orientierungen

Amazon: Hoffnung über den Tod hinaus?: Nahtoderfahrungen, Nachtodkommunikationen und christlicher Glaube

Dominant ist gegenwärtig ein naturalistisches Menschenbild, das Geist als Funktion des Gehirns versteht und mit dem Erlöschen der Gehirnfunktionen ein definitives Ende des Menschen annimmt. Es gibt aber im Bereich der Nahtoderfahrungen Forschungsergebnisse, die in eine ganz andere Richtung weisenSie legen ein spirituelles Menschenbild nahe, das religiösen Vorstellungen entspricht. Doch wie glaubwürdig sind diese Forschungsergebnisse, und wie ist ihr Verhältnis zum christlichen Glauben?

Solchen Fragen wird in diesem Buch nachgegangen. In den Bereich der Grenzwissenschaften fallen nicht nur die Nahtoderfahrungen, sondern auch die sog. Nachtodkommunikationen. Manche von ihnen besitzen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Das Anliegen des Buches ist ein konstruktiver Dialog zwischen Theologie und Grenzwissenschaft. Er kann einer rational verantwortbaren Hoffnung über den Tod hinaus wichtige Impulse geben. Dominant ist gegenwärtig ein naturalistisches Menschenbild, das Geist als Funktion des Gehirns versteht und mit dem Erlöschen der Gehirnfunktionen ein definitives Ende des Menschen annimmt. Es gibt aber im Bereich der Nahtoderfahrungen Forschungsergebnisse, die in eine ganz andere Richtung weisen. Sie legen ein spirituelles Menschenbild nahe, das religiösen Vorstellungen entspricht. Doch wie glaubwürdig sind diese Forschungsergebnisse, und wie ist ihr Verhältnis zum christlichen Glauben? Solchen Fragen wird in diesem Buch nachgegangen. In den Bereich der Grenzwissenschaften fallen nicht nur die Nahtoderfahrungen, sondern auch die sog. Nachtodkommunikationen, von denen seit Menschegedenken bis in die Gegenwart hinein berichtenManche von ihnen besitzen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Sie lassen die postmortalen Erscheinungen Jesu in einem anderen Licht erscheinen und erlauben eine Kritik an destruktiv-psychologisierenden Deutungen der Auferstehung Jesu. Das Anliegen des Buches ist ein konstruktiver Dialog zwischen Theologie und Grenzwissenschaft. Er kann einer rational verantwortbaren Hoffnung über den Tod hinaus wichtige Impulse geben. (Buchrückseite

Das Buch ist eine erhebliche Veränderung und Erweiterung des Vorgängerbuches "Abbruch oder Übergang? Die Frage nach Tod und Transzendenz aus theologischer und grenzwissenschaftlicher Sicht" (2008)
 

Besprechung von Dr. Denis Schmelter 

Als Ziel seiner Beschäftigung mit Nahtoderfahrungen (NTE) und Nachtodkommunikationen (NTK) gibt Wennemar Schweer an, den christlichen Glauben an ein Leben nach dem Tod auch gegenüber „kritisch denkende[n] Menschen des 21. Jahrhunderts“ (10) begründen zu können. Dazu müsse man „die Verheißung einer Zukunft über den Tod hinaus von farbloser Blässe und formaler Abstraktheit befreien und vielsagende Symbole und bewegende Erfahrungen als Anknüpfungspunkt anbieten“ (92). Schweer arbeitet zunächst heraus, inwiefern sich das NTE-Phänomen in die Wirklichkeitsauffassung des christlichen Glaubens integrieren lässt (9-94), und diskutiert danach im Abgleich mit ausgewählten Aspekten des NTK-Problemfeldes diverse Interpretationen der österlichen Auferstehungsbotschaft (95-151).

Hinter dem Immanentismus mancher Deutungen des NTE-Phänomens wittert Schweer ein „naturalistisches Menschenbild, das wie ein trojanisches Pferd in die Theologie hinein gelassen wird (11). Dies begünstige das Entstehen einer „Lücke, die dann nur allzu leicht von anderen – z.B. esoterischenDeutungsmustern gefüllt wird (10). Sodann führt er den Nachweis, wie angesichts der Befunde der Erforschung von Außerkörperlichkeits- erfahrungen eine Form menschlichen Bewusstseins denkbar wird, die nicht mehr ‚brain-based‘ ist, und Wahrnehmungen ermöglicht, die nicht über die üblichen Kanäle der sinnlichen Wahrnehmung ablaufen“ (22). Indem er solche Gedanken theologisch kontextualisiert (26-34), kann er die Annahme plausibel machen, dass es im Menschen ein bei aller materiellen Vergänglichkeit sich durchtragendes und von körperlichem Vergehen nicht tangiertes geistig-seelisches Kontinuum gibt. Ein wertvoller Gedanke, den Schweer im Zusammenhang mit der „Lebensrückschau“ herausstellt, ist die Parallele zwischen der Wirkweise einer NTE und der Menschenbehandlung Jesu: Motiviert und ermächtigt zu achtsamerem Lebenswandel wird der Mensch in beiden Fällen nicht durch den Druck moralischer Mahnung, sondern durch Einsicht in die Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf Anderegetragen von dem Gefühl eines dennoch vorbehaltlosen Bejahtseins, dem fortan in dankbarer Prosozialität entsprochen wird. Die heilend-befreiende Erfahrung unbedingten liebevollen Angenommenseins befähigt zur Lösung aus sündhafter Ichverkrümmung und bewirkt die positive Transformation (vgl. 39). Die Glaubensauffassung, dass sich die Verstorbenen „in gestalthafter Weise in der anderen Welt ‚beim Herrn‘“ befinden, erlangt nach Schweers Dafürhalten eine erstaunliche Bestätigung durch grenzwissenschaftliche Forschungsergebnisse“ (113). Hochinteressant sind in diesem Zusammenhang seine Ausführungen zur Auferstehungsleiblichkeit (129-141). Was die Frage des Vollendungsgeschehens anbelangt, zieht er die Möglichkeit einer nachtodlichen Freiheitsgeschichte in Betracht: Der postmortale Prozess des personalen Ausreifens auf Gott hin kulminiert schließlich in der definitiv vervollkommneten Liebesrelation zwischen Gott und Mensch. „Das bei manchen NTE beschriebene Umfangenwerden von einem Liebe ausstrahlenden himmlischen Licht kann dabei als Vorschein einer finalen Vollendung angesehen werden, die jede Vorstellung übersteigt“ (144).

In einem für den Umgang mit dieser Thematik vorbildlichen abwägenden Stil und sehr kenntnisreich wertet Schweer die Befunde der NTE- und NTK-Forschung auf dem neuesten Stand aus und macht sie originell fruchtbar für theologisches (Weiter‑)Denken. Mit „Hoffnung über den Tod hinaus?“ hat er eine informative und horizonterweiternde Monographie auf fachlich hohem Niveau vorgelegt, deren Gedankengang zugleich für den „Laien“ gut nachvollziehbar und darum für jeden zu empfehlen ist, der zum Thema „Tod“ ein wissenschaftlich-theologisch solides Buch sucht.