Transzendenzerfahrung
Es geschah in einer Winternacht vor rund vier Jahren: Mitten im Schlaf hörte ich ganz deutlich eine Stimme von oben, die mit den Worten zu mir sprach: "Jetzt ist es genug". Ich konnte im Dunkel des Zimmers eine engelhafte Gestalt sehen, die von einem intensiven blauen Schein umgeben war. Sie gab mir zu verstehen, dass ich ihr folgen sollte. In jenem Moment löste ich mich aus meinem Körper und glitt zur blauen Engelsgestalt empor.
Zunächst befand ich mich an der Decke unseres Schlafzimmers. Trotz der Dunkelheit konnte ich die mir vertrauten Wandmalereien erkennen und sah unten im Bett meinen Körper, wie er einer leblosen Hülle gleich da lag. Anschliessend führte mich der Engel durch die Dunkelheit in eine andere Welt hinein, die von einem hellen und unglaublich sanften Licht erfüllt war. Wie nie zuvor empfand ich ein vollkommenes Glück, eine Leichtigkeit und innere Ruhe, deren Intensität sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Es war, als wäre die ganze Last des Erdenlebens von mir gewichen. Ich fühlte mich beschützt und getragen in dieser neuen Welt. Rund um mich herum zeigten sich mir viele andere Lichtgestalten, die im Gegensatz zum Engel nicht von einem blauen Schein, sondern von hellen farblosen Strahlen umgeben waren. Sie sendeten unendlich viel Liebe und Wärme aus. Mich selber erlebte ich ohne Körper, aber mit allen Fähigkeiten des Hörens, Sehens und Denkens. Erkennen konnte ich niemanden; zu diesem Zeitpunkt war denn auch noch kein mir nahe stehender Mensch verstorben. Durchdrungen von einem grenzenlosen Glücksgefühl, schwebte ich in Begleitung des Engels noch weiter in diesem Lichtmeer, als ich plötzlich Stimmen vernahm: „Es ist noch zu früh für dich, du musst nun gehen“. Die Stimmen wiederholten ihre Worte, denn ich wollte diesen Ort nicht verlassen. Nachdem ich verstanden hatte, dass ich später wieder zurückkehren könne, tauchte ich schliesslich wieder in die Dunkelheit ein und fiel in meinen Körper zurück. Eine tiefe Trauer erfüllte mich. Ich war enttäuscht, wieder in meinem Körper auf der früheren Welt zu sein. Dieses Gefühl war beim Aufstehen am Morgen immer noch präsent und begleitete mich mehrere Tage. Mit der Zeit wich dieses Gefühl einer grossen Dankbarkeit über das Geschehene. Es war, als erhielte ich für einen kurzen Moment Einblick in die andere Welt, die nach unserer irdischen Existenz auf uns Menschen wartet.
Dieses Erlebnis ist immer noch klar und deutlich in mir präsent. Ich erlebte es viel intensiver als einen Traum. Rätselhaft für mich ist, wie sich diese Erfahrung erklären lässt, war ich doch körperlich vollkommen gesund - und dennoch war mir in diesem Moment vollkommen bewusst, dass ich von der irdischen in eine andere Welt wechselte und Lichtgestalten zu sehen bekam, deren menschliches Leben auf der Erde zu Ende war. Mit esoterischem Gedankengut kann ich indessen nichts anfangen. Eine gewisse Erklärung kann ich höchstens darin finden, dass die Erfahrung in eine Zeit fiel, während der ich oft traurig und bedrückt war. Die Erscheinung war mir in diesem Moment eine Erlösung von dieser Traurigkeit.
Vor und nach dem Nahtoderlebnis hatte ich auch hellseherische Eingebungen bzw. Träume, in denen ich beispielsweise den Tod eines Bekannten voraussah. Ist es möglich, dass sich durch ein solches Erlebnis übersinnliche Fähigkeiten einstellen? Es liessen sich noch viele Fragen stellen, wie zum Beispiel jene nach dem Sinn und der Aufgabe, die mit dem Nahtoderlebnis verbunden sind.
Die Verfasserin ist 37 Jahre alt. Name und Anschrift sind bekannt. Sie möchte anonym bleiben und schreibt dazu an Prof. G. Ewald: “Über die Weihnachtstage habe ich Ihr Buch „Nahtoderfahrungen“ mit großem Interesse gelesen. Ihr Aufruf im Schlusswort an jene Leser, die Ähnliches erlebt haben, hat mich dazu ermutigt, Ihnen nachfolgend meine eigene Erfahrung niederzuschreiben. Bisher habe ich dieses Erlebnis kaum jemanden erzählt ...”