
NTE-Tagung in Augsburg 06.- 07.10.2012
Augsburg: Bildungszentrum Zeughaus
"Die Welt mit anderen Augen sehen"
Nahtoderfahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet.
In Zusammenarbeit mit dem Ev.Forum Annahof in Augsburg, der Ev. Stadtakademie München , der Augsburger NTE-Studiengruppe und weiteren Kooperationspartnern führte das Netzwerk-Nahtoderfahrung e.V. vom 06.-07.10.2012 in Augsburg eine Tagung unter dem obigen Thema durch.
Immer wieder berichten Menschen von beeindruckenden Erfahrungen in lebensbedrohlicher Lage, z.b. bei Unfällen oder während einer Erkrankung und Operation. Für diese Erfahrungen hat sich der Begriff „Nahtoderfahrungen“ eingebürgert.
Es sind Grenzerlebnisse, die viele Dimensionen aufweisen und aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden können. Sind sie lediglich das Produkt gestresster Neuronenverbände im Todeskampf, sind es „Hirngespinste“, oder ist es der Blick in eine andere, transzendente Wirklichkeit? Wie sind sie zu erklären und zu deuten? Diese Erfahrungen sind aber auch nachhaltige Umbrüche und Aufbrüche in der Biographie eines Menschen. Wie integriert er sie in sein Leben?
Mit dem Kardiologen Dr. Pim van Lommel
Nahtoderfahrungen eröffnen damit vielfältige Perspektivenwechsel, sowohl persönlich-individuell, aber auch hinsichtlich unseres Welt- und Menschenbildes, unseres Geistes- und Gottesbildes.
In der Veranstaltung sind Fachleute – darunter der international bekannte niederländische NTE-Forscher und Kardiologe Dr. Pim van Lommel – und Nahtoderfahrene zu Wort gekommen und hatten vielfältige Aspekte dieser Grenzerfahrungen erörtert. Im persönlichen Gespräch waren Erfahrungsaustausch und Vertiefung möglich.
Die Veranstaltung fand im Bildungszentrum Zeughaus in Augsburg statt.
Das war das Programm
Samstag, 06.10.2012
09.45-10.00 Begrüßung
10.00-10.45 Alois Serwaty: Nahtoderfahrungen zwischen Banalisierung und Mystifizierung - eine Einführung
10.45-11.15 Manuela Maetze: Erfahrungsbericht
11.15-12.00 Petra Permanschlager: Nahtoderfahrungen und ihr transzendent-psychisches Transformationspotential - Ergebnisse einer Diplomarbeit
14.00-15.00 Prof. Dr. H. Pietschmann, Wien: Naturwissenschaft und Spiritualität
15.10-16.10 Prof. Dr. A. Biesinger, Alois Serwaty (Mod.): Nahtoderfahrungen und Theologie - ein Gespräch
16.30-17.30 Prof. Dr. T. Schärtl: Auferstehung, Unsterblichkeit und eine Metaphysik des Bewusstseins
19.30-22.00 Dr. Pim van Lommel: Endloses Bewusstsein Neue med. Fakten zur Nahtoderfahrung
Sonntag, 07.10.2012
09.00-09.20 persönlicher Erfahrungsbericht
09.20-10.20 Freifrau Andrea von Wilmowsky: Transitland Intensivstation
10.45-11.45 Dr. M. Nahm: Terminale Lucidität – Flügelschlag der Seele?
11.45-12.30 Abschlussdiskussion
Referenten und Referentinnen, Beiträge:
O.Uni.Prof. Dr. Herbert Pietschmann: Naturwissenschaft und Spiritualität
Naturwissenschaft seit dem 17. Jahrhundert hat ihre Erfolge erzielt auf Grund eines Denkrahmens, der auf 4 Säulen ruht. Galilei: Alles messen; Descartes: Alles zerlegen; Aristoteles: Entweder-Oder; Newton: Für alles Ursachen finden. Die Methode beschränkt sich jedoch auf die Materie. Wegen ihrer Erfolge wird oft der (falsche) Schluss gezogen, Materie könne alles in dieser Welt erklären. Geist und Seele, die den Menschen ebenso ausmachen wie der Körper, werden oft verdrängt. C.F.v.Weizsäcker: "Philosophie stellt diejenigen Fragen, die nicht gestellt zu haben die Erfolgsbedingung des wissenschaftlichen Verfahrens war." Quantenphysik hat gezeigt, dass dieser Denkrahmen nicht einmal ausreicht, die Materie in ihren kleinsten Teilchen zu verstehen. Leider werden daraus oft unzulässige Analogien gezogen. Wahre Spiritualität muss sich auf das eigentlich Menschliche konzentrieren, die Autonomie des Geistes und die Würde des Menschen, die in seiner Unauswechselbarkeit zu finden ist.
geb.1936 in Wien, Studium Mathematik-Physik Univ.Wien, Dr.phil.(sub auspiciis praesidentis) 1961. Habilitation in theor. Phys. Univ.Wien und Göteborg 1966. Forschungsjahre in Genf (CERN), Virginia USA, Göteborg (Schweden) und Bonn. Vortragsreisen in Europa, USA, Naher Osten, Japan und China. Seit 1968 Ao.Univ.Prof., seit 1971 O.Univ.Prof. Univ.Wien, Vorstand des Inst.f.theor.Phys., seit 1. Oktober 2004 Emeritus. Korrespondierendes Mitglied der Öst.Ak.d.Wissenschaften und der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin, Mitglied der New York Academy of Science und Fellow der World Innovation Foundation.
Die wichtigsten Publikationen:
Das Ende des naturwissenschaftlichen Zeitalters (Wien 1980 und Stuttgart 1995)
Phänomenologie der Naturwissenschaft (Berlin 1996 und Wien 2007)
Gott wollte Menschen (Wien 1999)
Eris&Eirene – Anleitung zum Umgang mit Widersprüchen und Konflikten (Wien 2002)
Vom Spaß zur Freude – Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts (Wien 2005)
Geschichten zur Teilchenphysik (Wien 2007)
Die Atomisierung der Gesellschaft (Wien 2009)
Dr. Michael Nahm: Terminale Geistesklarheit – Der Flügelschlag der Seele?
Dr. Michael Nahm studierte Zoologie, Botanik, Genetik und Paläontologie. Ungelöste Evolutionsprobleme, Rätsel des menschlichen Geisteslebens sowie ungewöhnliche Erfahrungen in Todesnähe bilden seit vielen Jahren Schwerpunkte seiner Interessen.
Menschen, die seit langer Zeit an psychiatrischen Störungen und auch an organischen Gehirnerkrankungen wie Schlaganfällen, Tumoren, Hirnhautentzündungen oder auch der Alzheimer’schen Erkrankung gelitten haben, können kurz vor dem Tod manchmal zu unerwarteter geistiger Klarheit, Lebendigkeit und Gedächtnisfähigkeit erwachen. In diesem Vortrag wird eine Übersicht über die bemerkenswertesten in der Literatur beschriebenen Fälle sowie über persönlich mitgeteilte Berichte gegeben. Es werden Bezüge zu verwandten Phänomenen in Todesnähe dargestellt sowie Erklärungsmodelle für das Berichtete andiskutiert.
Alois Serwaty: Nahtoderfahrungen zwischen Banalisierung und Mystifizierung - eine Einführung
geb. 1947 in Daun/Eifel, Berufsoffizier a.D., Studium des Bauingenieurwesens in München. Seit einer Nahtoderfahrung bei einem medizinischen Eingriff intensive Beschäftigung mit natur- und geisteswissenschaftlichen Fragestellungen zu diesen Phänomenen. Veröffentlichungen und Vortragstätigkeit. Mitbegründer und derzeitiger Vorsitzender (2012) des Netzwerk Nahtoderfahrung e.V. Kontakt: E-Mail: Serwaty@t-online.de
In dem Beitrag werden Nahtoderfahrungen als „außergewöhnliche Bewusstseinszustände, in denen Menschen sich in Bezug zu einer anderen, außer-alltäglichen Wirklichkeit sehen“ definiert und die Phänomenologie dieser Erfahrungen dargestellt. Der Referent gibt einen Überblick über den Stand der Forschung und über die aktuelle wissenschaftliche Diskussion der Erklärung und Deutung dieser Erfahrungen, die sich im Spannungsfeld zwischen einer "reduktionistischen Naturalisierung" auf der einen Seite und einer "transzendentalen Mystifizierung" auf der anderen Seite bewegt. Dabei finden die vielfältigen Übergänge und Vermischungen zwischen der physischen, der (para-)psychologischen und der transzendental-spirituellen Ebene häufig keine oder zu wenig Beachtung.
Petra Permanschlager: Nahtoderfahrungen und ihr Transformationspotential - Ergebnisse einer Studie im Rahmen der Diplomarbeit
Diplom Psychologin, Psychotherapeutin in Ausbildung. Auseinandersetzung mit Spiritualität im persönlichen, therapeutischen und wissenschaftlichen Bereich, mit Fokus auf einer interdisziplinären Zusammenführung von Psychologie und Spiritualität im Sinne einer "Psychologie der Seele".
Aus der derzeitigen Studienlage geht hervor, dass Nahtoderfahrungen bei den Betroffenen innere Veränderungen anstoßen und folglich eine veränderte Sicht auf die Welt nach sich ziehen können. In dieser Studie werden zwei Gruppen miteinander verglichen, die sich beide in Todesnähe befinden. Bei der ersten Gruppe wird die Todesnähe von einer Nahtoderfahrung begleitet, bei der zweiten Gruppe geht die Todesnähe mit keinem solchen Erlebnis einher.
Im Zentrum dieser Untersuchung steht die Frage, ob bei Nahtoderfahrenen im Anschluss an das Erlebnis eine stärkere Veränderung stattfindet als bei Personen in Todesnähe ohne Nahtoderfahrung. Infolgedessen wäre die Nahtoderfahrung an sich und und nicht das alleinige Ausgesetztsein einer lebensbedrohlichen Situation der ausschlaggebende Faktor für Veränderung.
Prof. Dr. Thomas Schärtl: Auferstehung, Unsterblichkeit und eine Metaphysik des Bewusstseins
Thomas Schärtl ist Professor für Philosophie/philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg.
Der Vortrag setzt sich mit den metaphysischen Voraussetzungen und Bedingungen des Glaubens an ein Leben nach dem Tod bzw. des Glaubens an die Auferstehung der Toten auseinander. Als Kernherausforderung philosophischer Art gilt eine naturalistische Rahmenmetaphysik, die den Glauben an ein Leben nach dem Tod prima facie unmöglich zu machen scheint. In der Auseinandersetzung mit diesem Rahmen wird sich zu fragen sein, ob ein Leib-Seele Dualismus die unausweichliche Alternative darstellt und ob sich auf der Basis einer Metaphysik des Bewusstseins nicht andere spekulative Denkmodelle entwickeln ließen.
Manuela Maetze: Eine außergewöhnliche Begegnung - Ein Erfahrungsbericht
Manuela Maetze, geb. 1957 in Kirchheim/Teck. Buchhändlerin im Buchhandel und in Verlagen. Seit 2003 arbeitet sie als Sekretärin. Im Jahre 200 begann M. Maetze auch als Schmuckkünsterlerin und Astrologin tätig zu sein (www.manuela-maetze.de). Die Nahtoderfahrung, die sie als "Nahlebenserfahrung wahrgenommen hat, erlebte sie im Jahre 2004.
Aus heiterem Himmel einen Termin im Himmel, dies beschreibt die Erfahrung meiner Nahtoderfahrung wohl am besten. Und dabei war für mich diese Begegnung ganz normal und selbstverständlich.
Durch die Nahtoderfahrung den Schlüssel erhalten, um dem eigenen Leben näher zu kommen und dadurch zu verstehen. Die vorhandenen Fähigkeit der Wahrnehmung wurde durch die Nahtoderfahrung nochmals gesteigert.
Andrea Frfr. von Wilmowsky: Transitland Intensivstation
Andrea v.Wilmowsky hat über 25 Jahre als Fachschwester für Anästhesie und Intensivtherapie auf Intensivstationen gearbeitet und einige davon auch geleitet. Sie hat die Entwicklung der modernen Intensivtherapie in kleinen und großen Kliniken in Ost und Westdeutschland miterlebt und in dieser Welt zwischen Leben und Tod, Mensch und Maschine vieles gesehen. Unter anderem wurden ihr von Patienten Nahtoderfahrungen berichtet . Das geschah bereits zu einer Zeit, als so etwas noch gar nicht für möglich gehalten wurde. Fr. v. Wilmowsky wird kurz über die Intensivmedizin allgemein und dann vor allem über den Transit durch diese Welt mit vielfältigsten Phänomenen berichten, die nur zwei Straßen kennt: zurück ins Leben oder in den Tod.
Prof. Dr. Albert Biesinger und Alois Serwaty: Nahtoderfahrungen und Theologie - ein Gespräch
Prof. Albert Biesinger, 63, ist Professor für Religionspädagogik an der Katholischen Fakultät der Universität Tübingen. Eines seiner Arbeitsschwerpunkte ist die kirchliche Erwachsenenbildung. Biesinger ist verheiratet und lebt in Rottenburg. Während eines medizinischen Eingriffs fiel Biesinger in ein Koma und erfuhr dabei eine Nahtoderfahrung, die auch sein theologisches Denken über diese Erfahrungen nicht unberührt ließ.
Dr. Pim van Lommel: Endloses Bewusstsein - neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung
Nahtoderfahrungen werfen grundlegende Fragen für unser Verständnis vom Menschen und unser vorherrschendes wissenschaftliches Weltbild auf. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Kontinuität unseres Bewusstseins nicht notwendigerweise an funktionierende Gehirnstrukturen gebunden sein muss. In dem Vortrag werden die Phänomenologie der Nahtoderfahrungen und die Ergebnisse einer weltweit beachteten Studie mit 344 Patienten mit Herzstillstand dargestellt sowie die Postulierung eines „unendlichen Bewusstseins“ begründet.
Pim van Lommel, geboren 1943, war als Kardiologe in leitender Position im Rijnstate Krankenhaus in Arnhem/Niederlande tätig. Seit 1986 untersucht er Nahtoderfahrungen aus wissenschaftlicher Sicht und ist Mitbegründer der niederländischen Sektion der International Association for Near-Death Studies.